Materialdatenbank Glücksspielsucht

Titel

Wann machen digitale Spiele krank?: Überlegungen zur Gaming Disorder im ICD-11

Herausgeber_innen/ Autor_innen
Mikusky, D., Abler, B.
Jahr
2021
Bezug über
In: Nervenheilkunde 2021, 40(01/02), S. 27-34
Format
Fachartikel
Beschreibung

Computer-, Video- und Mobilespiele (digitale Spiele) sind ein weit verbreitetes Massenmedium, das in allen Altersklassen und sozialen Schichten vertreten ist. Damit im Zusammenhang stehende Krankheitsbilder sind im Abschnitt für Forschungsdiagnosen des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) als Internet Gaming Disorder und den Vorabversionen der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-11) als Gaming Disorder definiert. In der Literatur kontrovers diskutiert wird neben der Notwendigkeit einer möglichen Überpathologisierung von Alltagsverhalten die nosologische Einordnung als Suchterkrankung versus Impulskontrollstörung. Hinweise zur Einordnung als Suchtverhalten geben zum einen Validierungsstudien der Diagnosekriterien, in welchen mit Toleranzentwicklung, Kontrollverlust und Vernachlässigung anderer Aktivitäten allgemeine Suchtkriterien zur Voraussage einer Beeinträchtigung als geeignet eingeschätzt werden. Zum anderen zeigen neurobiologische und bildgebende Befunde eine deutliche Übereinstimmung der Veränderungen bei Konsumenten digitaler Spiele mit denen, wie sie auch bei stoffgebundenen Suchterkrankungen beobachtet wurden. Hilfreich bei einer Risikoeinschätzung für die Entwicklung eines psychiatrisch relevanten Syndroms kann die Kenntnis von Spielmechaniken und Bezahlmodellen digitaler Spiele sein, welche nach lerntheoretischer Konzeption zur Entstehung beitragen können: Gestaffelter Fortschritt im Spiel (Progressionssysteme) mit an saliente Reize gekoppelte Belohnungen zur Charakteraufwertung, der Spieleinstieg ohne Bezahlung (free-to-play), Erwerb von Spielfortschritt und Individualisierungsoptionen (In-Game-Items) durch Kleinstbeträge (Mikrotransaktionen) und an Zufall gekoppelte Belohnungen mit der Möglichkeit, digitale Münzwürfe zu erwerben (Lootboxen) können die Entwicklung von Suchtverhalten fördern.